28. September 2015 Arbeitsrecht: Fahrzeit gleich Arbeitszeit - EuGH stärkt Rechte von Außendienstmitarbeitern

Insbesondere im Zusammenhang mit Bereitschaftsdiensten wurde in der Vergangenheit immer wieder darum gestritten, was eigentlich Arbeitszeit ist.


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Nach dem gewöhnlichen Menschenverstand ist Arbeitszeit die Zeit, in der ein Mensch arbeitet. Die Zeit, in der nicht gearbeitet wird, versteht man demgegenüber als Freizeit.

Im rechtlichen Sinne ist Arbeitszeit demgegenüber die Zeit, in der ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für einen Arbeitgeber tätig wird.

Nach der EU-Richtlinie RL 2003/88/EG ist Arbeitszeit innerhalb der Europäischen Union als jede Zeitspanne definiert, „während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder ´Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. Das deutsche Arbeitszeitgesetz definiert demgegenüber Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen, § 2 ArbZG.

Für Außendienstmitarbeiter hat der EuGH jetzt entschieden, dass die Fahrten, die der Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen seinem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegt, Arbeitszeit darstellt. Nach der vom EuGH im Urteil vom 10. September 2015 in der Rechtssache C-266/14 vertretenen Auffassung würde es nämlich dem unionsrechtlichen Ziel des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zuwiderlaufen, wenn diese Fahrzeiten keine Arbeitszeit wären.

Dem entschiedenen Fall liegt ein Arbeitsverhältnis in Spanien zugrunde. Der betroffene spanische Arbeitgeber wertete die Fahrten seiner Außendienstmitarbeiter zwischen Wohnort der Arbeitnehmer und dem Sitz des ersten und des letzten Kunden nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit. Als Arbeitszeit wurden damit ausschließlich die Einsatzzeiten der Außendienstmitarbeiter an den jeweiligen Kundenstandorten und die Fahrzeiten von einem Kunden zum anderen durch den Arbeitgeber berücksichtigt.

Hiergegen wendeten sich die betroffenen Arbeitnehmer mit Erfolg, da der EuGH in seiner Entscheidung vom 10. September feststellte, dass auch die Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, Arbeitszeit darstellen.

Zur Begründung dieser Entscheidung führt der EuGH in der gleichlautenden Pressemitteilung Nr. 99/15 vom 10. September 2015 aus, dass

  • Arbeitnehmer während der gesamten Fahrzeit ihre Tätigkeiten ausüben oder ihre Aufgaben für den Arbeitgeber wahrnehmen;
  • Arbeitnehmer während der Fahrzeiten dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen;
  • Arbeitnehmer auch während der Fahrten arbeiten.

Die Entscheidung des EuGH ist für alle Arbeitsverhältnisse innerhalb der Europäischen Union allgemeinverbindlich.

Fazit:

Auf die Entscheidung des EuGH werden sich alle Unternehmer, die Außendienstmitarbeiter ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort beschäftigen, einstellen müssen. Je nach Entfernung zwischen Wohnsitz des Außendienstmitarbeiters und von dort aus aufgesuchten Kunden müssen daher nicht unerhebliche „unproduktive“ Zeiten in Kauf genommen werden. Auf eine am Wohnsitz des Außendienstmitarbeiters ausgerichtete optimale Tourenplanung ist daher zukünftig besonders zu achten.

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