VII. Auskunftserteilung durch das Finanzamt zur Vorbereitung einer Konkurrentenklage

Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. Oktober 2006, Aktenzeichen: VII R 24/03

1. Einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung eines Konkurrenten hat ein Steuerpflichtiger unbeschadet des Steuergeheimnisses dann, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können.
2. Die Auskunft darf erteilt werden, wenn die Konkurrentenklagen nicht offensichtlich unzulässig wäre; die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem Auskunftsantragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen.
3. Der in Artikel 4 Abs. 5 Unterabsatz 2 der 6. Richtlinie 77/388/EWG enthaltene Grundsatz der steuerlichen Neutralität kann von einem Steuerpflichtigen im Wege der Konkurrentenklage geltend gemacht werden, wenn Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die Tätigkeiten oder Leistungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden und dies zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 8. Juni 2006 Rs. C-430/04).
4. Es kommt ernstlich in Betracht, § 2 As. 3 UStG drittschützende Wirkung beizulegen.

Ein Wettbewerber hat nach dieser Entscheidung die Möglichkeit - zumindest im Bereich eines öffentlich-rechtlichen Konkurrenzunternehmens - zu prüfen, ob eine steuerliche Behandlung des Konkurrenten zu Wettbewerbsnachteilen führt, soweit der Konkurrent infolge einer unzureichenden Besteuerung in die Lage versetzt wird, die Preise der sonstigen Mitbewerber auf dem freien Markt zu unterbieten.

Die Auskunftserteilung setzt nicht voraus, dass dem Auskunftsantragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilen Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen.
Über diese Rechte soll gerade erst in einem anderen Verfahren, nämlich in der zivilrechtlichen Konkurrentenklage, gestritten werden.
Die Auskunft dient lediglich der Durchführung eines solchen Verfahrens und ist als solche geeignet, dort im Rahmen einer rechtlichen Argumentation mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg sinnvoll verwendet zu werden.
Das ist allerdings nicht der Fall, wenn umgekehrt feststeht, dass die behaupteten Rechte dem Antragsteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen können, das angestrebte Konkurrentenschutzverfahren also von vorne herein ohne Aussicht auf Erfolg ist.
Lediglich diese offensichtliche Unzulässigkeit hat die Finanzbehörde im Verfahren der Auskunftserteilung zu prüfen.

Soweit ein Antragsteller substantiiert und glaubhaft darlegen kann, durch eine unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden, dürfte diese Entscheidung nicht nur auf öffentlich-rechtliche Wettbewerber zu beschränken sein, sondern den Weg bereiten, Auskunft auch hinsichtlich sonstiger Wettbewerber zu beanspruchen.

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