20. August 2013 Wettbewerbsrecht: Nennen Sie uns Winkeladvokatur – Sie dürfen es!

Doch Halt! Dürfen Sie es wirklich, oder ist es eine strafbare Beleidigung? In der Presse konnte man lesen, dass das BVerfG (Bundesverfassungsgericht) entschieden hat, dass das erlaubt sei. Hintergrund dieses Falles waren zwei Anwälte, die sich darüber stritten, ob der eine die Kanzlei des anderen nun als Winkeladvokatur bezeichnen darf, oder nicht. Doch kaum eine juristische Antwort ohne das große „ABER“ – in diesem Fall ist es kaum anders.

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Schafft es ein Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht, so hat es in der Regel schon einige Gerichte vorher beschäftigt. Warum diese Aussage eine Beleidigung sein soll, das begründeten die Gerichte sehr unterschiedlich.

Das Landgericht Köln sah in dieser Aussage eine klare Beleidigung. Ein Winkeladvokat sei historisch eine Person, die ohne Ausbildung zum Rechtsanwalt einen Rechtsrat erteile. Heute verstünde man unter diesem Begriff einen Anwalt mit intellektuellen und moralischen Defiziten.

Das Oberlandesgericht Köln verstand aber etwas andere unter einem Winkeladvokaten. Beim Winkeladvokaten handele es sich um einen gerissenen Anwalt, dem jeder Winkelzug recht sei, um für seine Mandantschaft ein günstiges Ergebnis herauszuholen, auch durch Rechtsverbiegung zum eigenen Vorteil.

Beide Gerichte mussten, juristisch betrachtet, abwägen zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (dem Ehrgefühl) des betroffenen Anwalts und dem Recht auf freie Meinungsäußerung des anderen Anwalts. Diese beiden Auslegungen sind ehrlicherweise nicht besonders schmeichelhaft. Beide Gerichte gingen daher davon aus, dass hier eine Beleidigung stattgefunden hatte und entschieden sich für das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.

Die Meinungsfreiheit hat in der Tradition des BVerfG eine lange Tradition. Sie ist ein Verfassungsrecht, das schwer wiegt. In vielen Entscheidungen hat das BVerfG dieses Recht immer weiter konkretisiert, doch auch immer wieder betont, dass es sich niemals um einen acquis definitif handeln wird. Das bedeutet, dass niemals der Punkt erreicht sein wird, an dem alle Fragen, was nun gesagt oder geschrieben werden darf, ein für alle Mal geklärt sind.

Die Meinungsfreiheit muss stets neu erkämpft werden, sie ist das Fundament einer freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Die zentrale Frage des Falles war, ob die Aussage „Winkeladvokatur“ nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das ist, weil die Meinungsfreiheit so wichtig ist, nur in sehr engen Grenzen möglich.

Eine Meinung ist eine Aussage, mit wertendem Charakter über eine Person oder einen Sachverhalt. Der Aussagegehalt einer Meinung kann nicht etwa bewiesen werden.

Die Meinungsfreiheit endet an dem Punkt der sog. Schmähkritik. Darunter verstanden werden Äußerungen, die keine sachliche Auseinandersetzung mehr darstellen und sich nur noch herabwürdigend und schmähend auswirken. Die Diffamierung der Person muss im Vordergrund stehen.

Wer Schmähkritik übt, kann in der Sache vielleicht sogar recht haben, aber er geht über das rechtlich zulässige Maß hinaus.

Maßgebend dafür ist der Kontext einer Äußerung. Fand die Äußerung öffentlich oder im privaten Rahmen statt? War sie Gegenstand einer öffentlichen und vielleicht sogar politischen Debatte? War die Äußerung nach den aktuellen, allgemein anerkannten und gültigen gesellschaftlichen und ethischen Maßstäben als Teil der öffentlichen Diskussion akzeptiert?

Heinrich Böll musste es sich einst gefallen lassen, als „steindummer, kenntnisloser, talentfreier Autor“ und als „teils pathologischer, teils harmloser Knallkopf“ bezeichnet zu werden.

Und die Juristen dürfen nun als Winkeladvokaten bezeichnet werden? Der Begriff des Winkeladvokaten dürfte bei den Meisten doch recht negativ besetzt sein, sodass es für das BVerfG auf den Kontext der Äußerung ankam.

Diese Äußerung fand in einem nicht öffentlichen Rahmen, nämlich dem Schriftverkehr zu einem Gerichtsverfahren statt. Darüber hinaus war sie in eine Argumentation eingebettet und nicht darauf gerichtet, das Gegenüber bloß zu beleidigen.

Um die Frage des Absatzes zu beantworten: In einem sachlichen, nicht öffentlichen, argumentativen Zusammenhang, der nicht darauf zielt einen Juristen zu beleidigen, darf man eine Kanzlei als „Winkeladvokatur“ bezeichnen.

Fazit

Diese kleine Aufarbeitung will dem Leser in der Hauptsache eines verdeutlichen. Öffentliche Äußerungen und PR-Arbeit können ein erhebliches rechtliches Konfliktfeld eröffnen.

Ein Unternehmen wird seine Äußerungen und Werbemaßnahmen stets auf die Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsrecht überprüfen lassen. Doch auch die Einzelperson kann sich bei unbedachten Äußerungen im Zweifelsfall Unterlassungsansprüchen Dritter ausgesetzt sehen.

Autor: Sebastian Maria Schmitt

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