28. August 2018 Geschmacksmusterrecht: EuGH zu den Anforderungen an die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters

In einem im Rechtsmittelverfahren ergangenen aktuellen Urteil vom 5. Juli 2018 (Mast-Jägermeister/EUIPO, C-217/17 P) hat der EuGH zu den Anforderungen gem. Art. 36 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (nachfolgend GGV) Stellung genommen.

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In dem Verfahren ging es um zwei Anmeldungen von Gemeinschaftsgeschmacksmustern der Mast-Jägermeister, die sie bereits im Jahr 2015 beim EUIPO einreichte. In der Anmeldung waren die Erzeugnisse, für die Schutz beantragt wurde, als „Becher“ angegeben, während die Wiedergabe auch Flaschen zeigte. Das EUIPO beanstandete daher die Anmeldungen und forderte die Anmelderin auf, die Mängel zu beseitigen. Diese teilte jedoch die Auffassung des Amtes nicht und beantragte den Erlass einer beschwerdefähigen Entscheidung. Sodann entschied das EUIPO im Jahr 2015, dass wegen der nicht behobenen Mängel der beiden in Rede stehenden Anmeldungen diese nicht als Anmeldungen eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters gelten würden, sodass ihnen kein Anmeldetag zuerkannt werden könne. Dagegen ging die Mast-Jägermeister vor und unterlag sowohl vor der zuständigen Beschwerdekammer des EUIPO als auch dem Gericht der Europäischen Union. Das Gericht hat insbesondere Art. 36 Abs. 1 Buchst. c) GGV dahin ausgelegt, dass sich die Anwendung dieser Bestimmung – wie vom EUIPO geltend gemacht – auch auf Ungenauigkeiten oder fehlende Gewissheit oder Klarheit hinsichtlich des Schutzgegenstands des angemeldeten Geschmacksmusters erstrecke. Nun entschied der EuGH über das Rechtsmittel der Mast-Jägermeister gegen das Urteil des Gerichts.

Im Rechtsmittelverfahren vor dem EuGH machte die Mast-Jägermeister im Wesentlichen geltend, dass Art. 36 Abs. 1 Buchst. c) GGV im Licht der übrigen einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung und der Verordnung Nr. 2245/2002 dahin auszulegen sei, dass die Zuerkennung eines Anmeldetags allein von einer Prüfung der Wiedergabe des Geschmacksmusters auf ihre physische Eignung zur Reproduktion abhänge. Dieser Auffassung folgte der EuGH jedoch nicht und bestätigte das Urteil des Gerichts. Der Gerichtshof legte Art. 36 Abs. 1 Buchst. c) GGV anhand seines Wortlauts, seines Normzwecks sowie seines Kontextes aus und stellte unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 12. Dezember 2002 (Sieckmann, C-273/00) fest, dass das Erfordernis der grafischen Wiedergabe u. a. dazu dient, das Geschmacksmuster selbst festzulegen, um den genauen Gegenstand des Schutzes zu bestimmen, den das eingetragene Geschmacksmuster seinem Inhaber gewährt. Ferner hat der EuGH ausgeführt, dass die Zuerkennung eines Anmeldetags, der nach Art. 38 GGV der Tag ist, an dem die Unterlagen mit den Angaben nach Art. 36 Abs. 1 GGV beim EUIPO eingereicht worden sind, es dem Inhaber des betreffenden Geschmacksmusters ermöglicht, das Prioritätsrecht im Sinne von Art. 41 GGV zu beanspruchen. Die Tatsache, dass der Anmeldetag den Erwerb dieses Prioritätsrechts ermöglicht, rechtfertigt nach Ansicht des Gerichtshofs als solche die Anforderung, dass die Wiedergabe des angemeldeten Geschmacksmusters frei von Ungenauigkeiten sein muss. Dies bezüglich bezieht sich der EuGH auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott, wonach eine ungenaue Anmeldung das Risiko eines überschießenden Prioritätsschutzes für ein Geschmacksmuster begründen würde, dessen Schutzgegenstand nicht klar erkennbar ist.

Schließlich stimmte der EuGH der Auffassung vom EUIPO zu, dass nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2245/2002 durch eine Berichtigung der Anmeldung die Wiedergabe des Geschmacksmusters nicht verändert werden darf. Dies bedeutet aus Sicht des Gerichtshofs aber zwangsläufig, dass die Anmeldung, bevor ihr ein Anmeldetag zuerkannt werden kann, eine Wiedergabe enthalten muss, die den Gegenstand erkennen lässt, für den Schutz beansprucht wird. Die GGV kann nämlich nicht dahin ausgelegt werden, dass eine Anmeldung als wirksam eingereicht angesehen werden kann, obwohl sie das angemeldete Geschmacksmuster nicht klar erkennen lässt und dieser Mangel nicht mehr behoben werden kann.

Der EuGH stellte abschließend fest, dass Art. 36 Abs. 1 Buchst. b) GGV dahin auszulegen ist, dass die Wiedergabe eines angemeldeten Geschmacksmusters dieses Geschmacksmuster, das Gegenstand des mit der Anmeldung beanspruchten Schutzes ist, klar erkennen lassen muss. Ferner führte der Gerichtshof aus, dass aus Art. 46 Abs. 2 GGV sich ergibt, dass eine mit Mängeln in Bezug auf die Erfordernisse gemäß Art. 36 Abs. 1 GGV, die nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist behoben wurden, behaftete Anmeldung nicht als Anmeldung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters gilt, so dass ihr kein Anmeldetag zuerkannt wird.

Fazit:


Das Urteil wird die Anmeldungspraxis bei Geschmacksmustern erheblich beeinflussen und verschafft Klarheit über eine sehr wichtige Frage. Nun steht fest, dass die Wiedergabe einer Geschmacksmusteranmeldung nicht nur physisch zur Reproduktion geeignet sein muss, sondern auch den Schutzgegenstand des Geschmacksmusters klar erkennen lassen muss. Eine Anmeldung, die diesen Anforderungen nicht entspricht, gilt nicht als Anmeldung eines Geschmacksmusters und es ist ihr kein Anmeldetag zuzuerkennen.   

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