27. Februar 2015 Arbeitnehmerdatenschutz: Heimliche Videoüberwachung – Sind die Kollegen wirklich krank?

Es ist höchstrichterlich geklärt: Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 19.02.2015 – Az.: 8 AZR 1007/13) hat entschieden, dass man vermeintlich erkrankte Mitarbeiter nicht mit Video observieren darf. Prüfen, ob sie wirklich krank sind, aber schon!


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Videoüberwachung und Arbeitnehmer sind in den letzten Jahren ein viel diskutiertes Thema gewesen, insbesondere durch die öffentlichkeitswirksamen Skandale bei Discount-Supermarktketten.

Videoüberwachung stellt, gleich in welcher Form, einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen dar. Rechtlich zulässig ist das nur in engen Grenzen. Diese Grenzen sind unter anderem in § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt.

Heimliche Videoüberwachung

Die engsten Grenzen werden aber bei der heimlichen oder verdeckten Videoüberwachung gezogen.

Die BAG-Entscheidung stellt klar, dass eine verdeckte Videoüberwachung im öffentlichen Raum ohne Kenntlichmachung entgegen § 6b Abs. 1 BDSG dann zulässig ist, wenn die verdeckte Überwachung das einzige zur Verfügung stehende Mittel zur Überführung eines Arbeitnehmers ist, der der Begehung von Straftaten konkret verdächtig ist.

Reicht aber auch nur die Observation durch einen Detektiv und die Benennung des Detektivs als Zeugen aus, sind Videoaufnahmen unzulässig.

Das bedeutet, Arbeitgeber dürfen durchaus überprüfen, ob Rechtfertigungsgrund für die Videoüberwachung ist § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, die datenschutzrechtliche Spezialvorschrift für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Beschäftigtenverhältnis zur Aufdeckung von Straftaten.

Hintergrund der BAG-Entscheidung

Ein Arbeitgeber beauftragte wegen des Verdachts der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einer Mitarbeiterin einen Detektiv. Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit ist Betrug gem. § 263 Abs. 1 StGB, weil in diesen Fällen unberechtigt eine Lohnfortzahlung stattfindet.

Der Detektiv fertigte während seiner Observation mehrere heimliche Bild- und Videoaufnahmen von der Mitarbeiterin an.

Zu sehen war sie an ihrer Wohnanschrift, beim Warten am Fußweg, beim Begrüßen eines Hundes und in einem Waschsalon. Nachdem der Arbeitgeber seine Mitarbeiterin mit diesen Aufnahmen konfrontierte, verklagte diese ihren Arbeitgeber auf Schmerzensgeld.

Schmerzensgeld

Die Gerichte gestanden der Arbeitnehmerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000€ zu. Das sind zwar keine „amerikanischen Verhältnisse“, doch für deutsche Gerichte keine geringe Summe.

Generell wird die Höhe des Schmerzensgeldes immer am konkreten Einzelfall unter Abwägung der jeweiligen Umstände bemessen. Selten werden höhere, sechsstellige Beträge zugesprochen.

Bisher lagen die Verurteilungen im Bereich der illegalen Videoüberwachung bei mehreren hundert bis mehreren tausend Euro. In diesem Fall wirkte sich erhöhend die mehrtägige Dauer der Überwachung und das heimliche Vorgehen berücksichtigt.

Aber auch ein offenes Vorgehen kann erhöhtes Schmerzensgeld auslösen, da mit einer solchen Überwachung ein erheblicher psychologischer Druck aufgebaut wird, der sich erhöhend auf das Schmerzensgeld auswirkt.

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

Mit der Entscheidung wurde auch klargestellt, dass aus einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst die tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer kranksheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit folgt.

Bei ernsthaften Zweifeln besteht diese Vermutung allerdings nicht mehr. Solche Zweifel dürfen gerade bei den nachfolgenden Situationen auftauchen.

In Fällen wo der Arbeitnehmer bei einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz oder einem Streit um Urlaubsgewährung eine Arbeitsunfähigkeit angekündigt hat, sind Zweifel angebracht.

Auch dann, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit Tätigkeiten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nicht vereinbar erscheinen, sind Zweifel angebracht. Die Teilnahme an einer Laufsportveranstaltung bei gleichzeitiger Krankschreibung wegen Grippe wäre ein solcher Fall.

Auch dann, wenn der Arbeitnehmer widersprüchliche Angaben zu seiner Arbeitsunfähigkeit macht und sich der Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen entzieht, sollte der Arbeitgeber zweifeln.

Bei Zweifeln darf der Arbeitgeber dann auch nachforschen, ob die Arbeitsunfähigkeit auch der Wahrheit entspricht. Beweisvideos und –fotos sollte er jedoch mit größter Zurückhaltung nutzen.

Denn selbst, wenn damit eine Kündigung gerechtfertigt würde, sähe man sich im Zweifel den Schmerzensgeldforderungen der Arbeitnehmer ausgesetzt.

Meldet sich ein Mitarbeiter krank, darf man zu Recht annehmen, dass er es auch ist. Bei einem konkreten Verdacht darf der Arbeitgeber aber überprüfen, ob seine Mitarbeiter auch wirklich krank sind. Videoüberwachung darf dazu nur in engen Ausnahmen zum Einsatz kommen. Werden diese Grenzen überschritten, werden Schmerzensgeldzahlungen fällig. Welche öffentlichkeitswirksamen Konsequenzen ein solches Arbeitgeberverhalten haben kann, das hat die einschlägige Berichterstattung gezeigt.

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