26. November 2014 Arbeitsrecht: Bewertung in Arbeitszeugnissen – wie zufrieden muss man sein?

Durchschnittliche Leistungen erhalten in der Schule die Note befriedigend. Eine bessere Note muss sich der Schüler durch nachgewiesene Leistung erarbeiten. Angelehnt an das Schulnotensystem gilt dieser Grundsatz seit jeher auch im Arbeitsrecht, d. h. für ein besseres als ein durchschnittliches Arbeitszeugnis muss der Arbeitnehmer den Nachweis erbringen.

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Arbeitszeugnisse werden in der Regel in einer eigenen, oft regelrecht verschlüsselten Sprache abgefasst. Hierbei deutet vor allem die „Zufriedenheit“ des Arbeitgebers mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers der Gesamtbeurteilung der Arbeitsleistung. Der sprachlich zumeist bedenkliche Übergang von der „vollen“ über die "stets zur vollen" bis zur "stets zur vollsten Zufriedenheit" wirkt sich nicht unerheblich auf das weitere berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers aus und bildet daher in der Praxis immer wieder die Grundlage juristischer Auseinandersetzungen.

So auch wieder geschehen in einem aktuell durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall.

In der nachfolgenden Pressemitteilung Nr. 61/14 setzt sich das Bundesarbeitsgericht mit Bezug auf sein Urteil vom 18. November 2014, 9 AZR 584/13, nochmals ausführlich mit der Leistungsbewertung in Arbeitszeugnissen und insbesondere mit den damit einhergehenden Beweisfragen auseinander:

„Leistungsbeurteilung im Zeugnis"

Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“. Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit“) Endnoten vergeben werden.

Die Klägerin war vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 in der Zahnarztpraxis der Beklagten im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten ua. die Praxisorganisation, Betreuung der Patienten, Terminvergabe, Führung und Verwaltung der Patientenkartei, Ausfertigung von Rechnungen und Aufstellung der Dienst- und Urlaubspläne. Darüber hinaus half die Klägerin bei der Erstellung des Praxisqualitätsmanagements. Die Beklagte erteilte ihr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis. Die Parteien streiten noch darüber, ob die Leistungen der Klägerin mit „zur vollen Zufriedenheit“ oder mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu bewerten sind. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und angenommen, die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die von der Klägerin beanspruchte Beurteilung nicht zutreffend sei.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die vom Landesarbeitsgericht zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studien, nach denen fast 90 % der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen sollen, führen nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht auf die in der Praxis am häufigsten vergebenen Noten an. Ansatzpunkt ist die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala. Begehrt der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala, muss er darlegen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Im Übrigen lassen sich den Studien Tatsachen, die den Schluss darauf zulassen, dass neun von zehn Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen, nicht entnehmen. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchungen eingegangen sind, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprechen. Der Zeugnisanspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO richtet sich auf ein inhaltlich „wahres“ Zeugnis. Das umfasst auch die Schlussnote. Ein Zeugnis muss auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

Der Neunte Senat hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird als Tatsacheninstanz zu prüfen haben, ob die von der Klägerin vorgetragenen Leistungen eine Beurteilung im oberen Bereich der Zufriedenheitsskala rechtfertigen und ob die Beklagte hiergegen beachtliche Einwände vorbringt.“

Fazit:


Es bleibt also dabei, dass der eine über dem Durchschnitt liegende Bewertung seiner Arbeitsleistung fordernde Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss, dass seine Arbeitsleistung den Anforderungen gut oder sehr gut entspricht. Der gesetzliche Anspruch auf ein Arbeitszeugnis bezieht sich insoweit auf ein inhaltlich wahres Zeugnis, so dass insbesondere auch die Gesamtnote den Tatsachen entsprechen muss. Vorsicht ist daher auch dann geboten, wenn ein „lästiger“ Arbeitnehmer durch ein überdurchschnittliches Arbeitszeugnis „weggelobt“ werden soll. Ein Arbeitgeber, der nachweislich ein nicht den wahren Gegebenheiten entsprechendes Arbeitszeugnis ausstellt macht sich schadensersatzpflichtig, nicht nur gegenüber dem von der Beurteilung betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch gegenüber zukünftigen Arbeitgebern des Betroffenen.

Falls Sie Fragen zu dem Artikel oder einer konkreten Formulierung in Arbeitszeugnissen haben, kontaktieren Sie uns einfach per E-Mail unter wagner(at)webvocat.de oder telefonisch unter 0681/ 95 82 82-0.

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Rechtsanwalt Arnd Lackner,
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